München. Beim Europäischen Jugendforum im Bayerischen Landtag haben sich rund 100 Schülerinnen und Schüler der Staatlichen Berufsoberschule Augsburg, des Von-Müller-Gymnasiums in Regensburg, des Gymnasiums Markt Indersdorf und der Elly-Heuss-Realschule in München mit Themen rund um den europäischen Binnenmarkt kritisch auseinandergesetzt.
"Politik ist oft kompliziert - lassen Sie sich nicht entmutigen!"
Zu Beginn begrüßte Vizepräsident Reinhold Bocklet die Jugendlichen und forderte sie auf politische Verantwortung zu übernehmen. Er habe als ehemaliger Europaabgeordneter, Staatsminister Bayerns und Vertreter des Freistaats im Bundesrat auf allen politischen Ebenen Erfahrung gesammelt. "Ich weiß, dass viele Themen zwischen den Ebenen vernetzt sind und wie kompliziert es deswegen manchmal ist. Davon darf man sich nicht entmutigen lassen", erklärte Bocklet. Paul-Joachim Kubosch, Leiter des Informationsbüros des Europäischen Parlaments in München, dankte dem Landtag für die Möglichkeit das Jugendforum hier abhalten zu können. "Es gibt keinen geeigneteren Ort für die Vermittlung parlamentarischer Arbeit als den Landtag", sagte Kubosch und wies die Jugendlichen darauf hin, sich der Bedeutung dieses Tages bewusst zu sein: "Sehr wahrscheinlich werden sie nie mehr auf dem Stuhl eines Abgeordneten sitzen, also genießen sie die Gelegenheit".
Bearbeitet wurden aktuelle Themen des Verbraucherschutzes
Anschließend bearbeiteten die Jugendlichen in drei Arbeitsgruppen Themen des Verbraucherschutzes:
• Sollte der Gebrauch von Plastiktüten durch europäische Gesetze eingeschränkt werden?
• Sollten Internetnutzer die Weitergabe ihrer Daten bei Online-Angeboten verweigern können?
• Sollten gentechnisch veränderte Lebensmittel erlaubt werden?
In drei Ausschüssen wurden die Fragen diskutiert, um Argumente dafür und dagegen abzuwägen. Danach standen - ganz wie in einem echten Parlament - die abschließende Debatte im Plenum und die Abstimmungen an. Auf diese Weise erfuhren die Schülerinnen und Schüler man im Parlament gemeinsam um Kompromisse und Mehrheiten ringt.
Abschließend konnten die Jugendlichen ihre Eindrücke mit Abgeordneten teilen und sie zu den diskutierten Themen befragen. Die Landtagsabgeordneten Eric Beißwenger (CSU), Dr. Linus Förster (SPD), Eva Gottstein (FREIE WÄHLER) und Claudia Stamm (Bündnis 90/Die Grünen) stellten sich der Debatte mit den Jugendlichen.
Einigkeit beim Verbot von Plastiktüten
Beim Thema "Verbot von Plastiktüten" herrschte weitgehend Einigkeit. 72 der Jugendlichen hatten sich bei der Abstimmung dafür ausgesprochen. Eric Beißwenger wies aber darauf hin, dass bei der Problematik "Plastik" die Tüten nicht unbedingt ausschlaggebend seien. Wichtiger sei seiner Meinung nach die Frage nach Mikroplastikelementen. Claudia Stamm gab zu bedenken, dass Verbote kein Patentrezept seien. Wichtig sei zunächst die kostenlose Abgabe von Plastiktüten zu unterbinden, dies würde bereits große Wirkung zeigen. Gottstein schloss sich dieser Ansicht an und meinte: "Die Sprache des Geldes verstehen Menschen besser als Verbote". In Irland sei nach der Einführung einer Zwangsabgabe der Pro-Kopf-Verbrauch von Plastiktüten von 328 auf 19 gesunken. Und Linus Förster machte auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam: Politiker müssten immer abwägen, ob ein Verbot angemessen sei oder ob man damit die Freiheit der Menschen beschneide. Das sei keineswegs immer leicht zu beantworten.
Datenschutz und kostenfreie Nutzung des Internets gehen nicht zusammen
Auch beim Thema "Zustimmung zur Datenspeicherung im Internet" waren sich die Jugendlichen bemerkenswert einig:
Besser als Verbote: das Bewusstsein der Menschen ändern
Besonders kontrovers wurde um das Thema Gentechnik gestritten. Hier waren auch die Jugendlichen gespalten. Eine knappe Mehrheit von 53 war für ein Verbot, aber mit 20 Enthaltungen offenbarte sich auch eine große Ratlosigkeit. Claudia Stamm zeigte sich vom Ergebnis überrascht: "Die Ablehnung gegenüber Gentechnik in Lebensmitteln liegt in Deutschland üblicherweise deutlich höher". Sie sei jedenfalls gegen Gentechnik und sehe in der nachhaltigen Landwirtschaft eine Möglichkeit die Herausforderungen der Lebensmittelproduktion zu meistern. Auch Gottstein warnte von Gentechnik: man wisse einfach nicht welche Folgen die Genmanipulation haben könne. "Man kann nicht schnell herausfinden, was langfristig passiert". Auch bei der Kernkraft sei man früher euphorisch gewesen, bis man später feststellte, dass die Lagerung der radioaktiven Abfälle viel schwieriger sei als anfangs angenommen. Linus Förster wurde einmal mehr grundsätzlich: "Die Frage in der Politik ist immer, wie viel Risiko nehme ich in Kauf?". Er plädiere für mehr Forschung, um Chancen und Risiken besser abwägen zu können. Und Eric Beißwenger forderte die Kennzeichnung gentechnisch behandelter Nahrung. So habe jeder Verbraucher die Möglichkeit, selbst zu entscheiden. Auch wenn er als Bio-Bauer nicht begeistert von Gentechnik sei, wolle er nicht in die Freiheit der Bürger eingreifen. Claudia Stamm pflichtete bei: Politik müsse das Bewusstsein der Verbraucher ändern und nicht immer nur mit Verboten arbeiten. / zg